Worum geht es?

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen rund um SARS-CoV-2 und die von diesem Virus verursachte Infektionskrankheit COVID-19, möchten wir diese Woche einen pharmazeutischen Blick auf die Lage werfen: Bisher ist weder ein Medikament, noch ein Impfstoff für die Behandlung bzw. Prävention von COVID-19 zugelassen. Allerdings gibt es einige vielversprechende Arzneistoff-Kandidaten.  

Einer dieser Hoffnungsträger ist Remdesivir. Bei dem vom amerikanischen Hersteller Gilead entwickelten Wirkstoff handelt es sich um ein Virostatikum, welches zunächst gegen Ebola entwickelt wurde. Mittlerweile wird eine mögliche Breitbandwirkung gegen andere RNA-Viren – unter anderem auch Coronaviren – vermutet. Jedoch gibt es bisher weder für die Behandlung von Ebola, noch für eine andere Indikation eine Zulassung. Die US-Zulassungsbehörde FDA räumte Remdesivir am Montag den Status einer “Orphan Drug” ein. 

Bei Remdesivir handelt es sich um ein Monophosphoramidat-Prodrug eines Adenosin-Nukleosidanalogons, sprich einer Substanz, die dem natürlichen Adenosin stark ähnelt. Die Phosphatgruppe ist zusätzlich mit zwei Gruppen maskiert, um die Hydrophilie herabzusetzen und höhere intrazelluläre Konzentrationen zu erreichen. Nach Abspaltung der Reste am Phosphat wird das Molekül noch zweimal phosphoryliert zum Triphosphat. Durch dieses wird die virale RNA-Polymerase gehemmt. Es kommt bei der RNA-Replikation zum Kettenabbruch, wodurch die Virusvermehrung verhindert wird. Remdesivir wirkt selektiv für virale Polymerasen und greift somit nicht in den Ablauf der Transkription humaner DNA ein.  

Aktuell werden mehrere klinische Studien zur Behandlung von Covid-19 mit Remdesivir durchgeführt – auch in Deutschland. Erste Ergebnisse werden im April 2020 erwartet. Beobachtet werden dabei unter anderem Fiebersenkung, Sauerstoffsättigung und ob es zu einer vergleichsweise früheren Krankenhausentlassung kommt. 

Um die Pandemie wirksam einzudämmen, wird so schnell wie möglich ein Medikament benötigt. Zeit sparen kann das Repurposing von bereits zugelassenen Wirkstoffen für andere Indikationen, da hier bereits Toxizitätsprüfungen vorliegen. 

Bei invitroVersuchen an SARS-CoV-2-infizierten Verozellen zeigte sich neben Remdesivir noch ein weiteres Medikament als vielversprechend: Chloroquin. Das 4-Aminochinolin-Derivat ist aus der Malariaprophylaxe und -therapie bekannt. Da resistente Plasmodium-falciparum-Stämme aber mittlerweile weltweit verbreitet sind, ist Chloroquin laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin nur noch bei der Unterform Malaria quartana indiziert. 

Der antivirale Wirkmechanismus von Chloroquin – beziehungsweise das Derivat Hydroxychloroquin – ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Als leichte Basen erhöhen beide Wirkstoffe den endosomalen pH-Wert. Darüber hinaus scheinen beide Wirkstoffe die terminale Glykosylierung des Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2) zu beeinträchtigen. Dies könnte die Adsorption von SARS-CoV-2 an die Wirtzelle negativ beeinflussen. Weiterhin geht man davon aus, dass die beiden Arzneistoffe die Produktion und Freisetzung von Zytokinen und weiteren entzündungsfördernden Faktoren verringern können. 

Wird das Medikament in der Therapie nur kurzfristig oder niedrig dosiert eingesetzt, ist das Mittel relativ gut verträglich. Durch Arzneimittelwechselwirkungen und eine dauerhaft hohe Einnahme kann es jedoch zu einer Reihe schwerwiegender Nebenwirkungen kommen. Daher gestaltet sich die Frage nach der Dosierung bisher als schwierig. Es wird dringend vor einem Off-Label-Use gewarnt! 

Nach Einschätzung verschiedener Fachgesellschaften kann der Einsatz daher nur in Einzelfällen nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung und, wenn möglich, im Rahmen von CompassionateUse-Programmen oder Studienprotokollen stattfinden. Nun werden große, randomisierte Studien mit harten klinischen Endpunkten gefordert. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) möchte die Wirksamkeit von Chloroquin/Hydroxychloroquin in ihrer globalen „SOLIDARITY“-Studie bei Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion untersuchen. 

Lopinavir/Ritonavir ist in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen zur Behandlung von HIV-Infektionen zugelassen. 

Beide Stoffe sind Inhibitoren der viralen Protease. Diese hydrolysiert, anders als die humane Protease, vor allem Bindungen von Phenylalanin und Prolin und kommt daher als Angriffsort für antivirale Wirkstoffe in Frage. Die Proteasen spielen eine wichtige Rolle in der Synthese funktionaler Proteine, da sie nach der Translation die „gag“- und „gag-pol“-Polypeptide prozessieren, also den funktionellen Teil „herausschneiden“. In ihrem katalytischen Zentrum befinden sich zwei Aspartat-Reste. Protease-Inhibitoren wechselwirken über nicht von der Protease spaltbare Hydroxyethylen-Gruppen mit dem aktiven Zentrum und blockieren es so. 

Lopinavir wird rasch hepatisch u.a. über CYP3A4 metabolisiert. Deshalb wird es mit niedrig dosiertem Ritonavir kombiniert. Ritonavir hemmt reversibel CYP3A4 und wirkt so als sogenannter „Booster“ für das Lopinavir, da dieses nicht so schnell abgebaut werden kann. 

Ob die Substanzen auch gegen SARS-CoV-2 wirken, ist derzeit unklar. In China wurde hierzu bereits eine Studie mit 199 PatientInnen durchgeführt, die keine vorteiligen Auswirkungen auf Krankheitsverlauf oder Sterblichkeit in Folge von COVID-19 erkennen lässt. Die WHO lässt die Wirkstoffe in der internationalen SOLIDARITY-Studie weiter untersuchen. Kritisiert wird hier, dass die Studie nicht doppelblind durchgeführt wird – als Kompromiss aus Wissenschaftlichkeit, Zeitfaktor und der bereits bestehenden Überlastung der Krankenhäuser. Deutschland beteiligt sich an einer Studie des französischen Forschungsinstituts INSERM.  Sie trägt den Namen DISCOVERY und untersucht u.a. die Wirksamkeit von Lopinavir/Ritonavir gegen SARS-CoV-2 sowie die Gabe der beiden Stoffe zusammen mit Beta-Interferon (ein Zytokin). 

Anders als bei den vorangegangenen Arzneistoffen handelt es sich bei den möglichen Therapien, die wir euch heute vorstellen wollen, nicht um klassisch synthetische Wirkstoffe. 

APN01 bezeichnet das rekombinante, lösliche und humane Angiotensin Converting Enzym 2 (ACE2) und wurde im Rahmen des SARS-Ausbruches 2002/03 von der Firma Apeiron Biologics für die Behandlung der akuten Lungenschädigung, des akuten Atemnotsyndroms und der pulmonal-arteriellen Hypertonie entwickelt. Das akute Atemnotsyndrom ist die Haupttodesursache bei COVID-19. 

Die Forschung hat gezeigt, dass genau wie SARS-CoV auch das neuartige SARS-CoV-2 ACE2 als Rezeptor nutzen, um in die Wirtszellen zu gelangen, diese zu infizieren und die Virusreplikation zu starten. APN01 funktioniert als falscher Rezeptor und soll die Viren so abfangen. Zusätzlich kann das physiologische ACE2 seine Funktion weiter ausführen und das schädliche Angiotensin II spalten, welches Lungenschäden auslöst.  

In den bisher durchgeführten Studien hat sich APN01 als sicher und gut verträglich erwiesen. In China wird aktuell eine klinische Phase-2A-Studie an 24 Patienten durchgeführt, mit den Ergebnissen wird noch im April 2020 gerechnet. Auch Aufsichtsbehörden in Deutschland, Österreich und Dänemark  genehmigten nun eine Phase-II-Studie zur Behandlung 200 schwer an COVID-19 erkrankter Patienten. Die Studie soll als Multicenter-Studie doppelblind, randomisiert und placebokontrolliert durchgeführt werden. 

Ein weiterer Ansatz ist die Passivimmunisierung: Auch hier soll das freie Virus „abgefangen“ werden, allerdings durch Antikörper, die aus dem Serum von bereits Erkrankten gewonnen werden sollen. Es gibt einige Unternehmen, die dieser Idee zurzeit verfolgen. In Deutschland haben die Medizinische Hochschule Hannover und das Universitätsklinikum Münster entsprechende Aufrufe gestartet. In Hannover will man darüber hinaus auch T-Lymphozyten gewinnen. 

Im Rahmen der DARPA Pandemic Preparedness Platform in den USA geht man noch einen Schritt weiter und möchte die Gene der wirksamsten Antikörper in Form von mRNA injizieren – bisher gibt es kein anderes Medikament, welches so funktioniert. 

Getestet werden außerdem Antikörper-Arzneistoffe aus anderen Indikationsgebieten wie z.B. der IL-6-Antikörper Tocilizumab, der für die Indikation rheumatoide Arthritis zugelassen ist. Er bindet an spezielle Zytokin-Rezeptoren, sodass die Überreaktion des Immunsystems gestoppt wird. Es handelt sich also um eine symptomatische Therapie.   

Nachdem wir uns die letzten vier Tage Medikamente gegen COVID-19 angesehen haben, soll es heute um den Einfluss der Erkrankung auf bestehende Therapien gehen.  

Aktuell wird diskutiert, in wie weit eine Bindung des Virus an das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) bei der Aufnahme in die Zelle eine Rolle spielt. Studien dazu laufen. 
Da die Klassen der ACE-Hemmer und der Sartane genau in dieses System eingreifen, wird eine reflektorische Erhöhung des ACE2 diskutiert. Diese würde dem Virus mehr Angriffspunkte liefern und durch eine Steigerung der Virusaktivität zu schwereren Verläufen führen.  

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), wie Ibuprofen und Diclofenac, wirken über die Hemmung der Prostaglandine (PG), die wichtig im Schmerz- und Entzündungsgeschehen sind. PG haben aber auch vielfältige andere Wirkungen, wie unter anderem die Regulation der Nierendurchblutung. Diese sinkt unter der Gabe von NSAR ab und sorgt für einen Blutdruckanstieg durch ein erhöhtes Blutvolumen. Reflektorisch wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, zu dem auch das ACE gehört, aktiviert.  

Aufgrund dieses Zusammenhangen wurde in den letzten Wochen viel die Anwendung von insbesondere Ibuprofen im Rahmen von COVID-19-Verdachtsfällen diskutiert. Nachdem die WHO zwischenzeitlich eine Empfehlung ausgesprochen hatte bei Symptomen wie Fieber Paracetamol statt mit Ibuprofen einzusetzen, hat sie dies mittlerweile revidiert. aktuellen Wissenstand wird von WHO und EMA von der Anwendung von Ibuprofen allerdings nicht abgeraten.  

Diese Interaktionen zwischen dem RAAS-System und dem Virus sind aber noch nicht vollends verstanden und weitere Studien dazu laufen. Daher ist es wichtig, dass bestehende und ärztlich angeordnete Medikationen mit ACE-Hemmern und Sartanen beibehalten werden. Der Schaden des selbstständigen Absetzens der Medikamente überwiegt hier! 
 

Weltweit verbreitet sich seit Monaten das SARS-CoV-2. Unternehmen und Forschungsinstitute forschen derzeit an Schutzimpfungen dagegen. 

Mittlerweile setzen 54 Impfstoffprojekte ihren Fokus auf das Virus. Davon sind bereits zwei in der klinischen Phase (WHO, Stand: 26.03). 

Man unterscheidet allgemein zwischen drei Arten von Impfstoffen:  

  1. A) Lebendimpfstoffe mit Vektorviren:SARS-CoV-2-Proteine werden an der Oberfläche von harmlosen Viren angebracht, sodass eine Infektion vorgetäuscht wird und Antikörper gebildet werden können. Eine echte Erkrankung wird also nicht ausgelöst.
  2. B) Totimpfstoffe mit Virusproteinen:Totimpfstoffe enthalten abgetötete oder nicht vermehrungsfähige Krankheitserreger oder Teile derer. Diese rufen eine aktive Immunisierung, jedoch keine Erkrankung, hervor. 
  3. C) Genbasierte Impfstoffe:Ausgewählte Gene des Virus sind im Impfstoff in Form von mRNA/DNA enthalten, sodass sich im Körper nach Injektion ungefährliche Virusproteine bilden, die eine Immunreaktion auslösen. 

 Ziel eines Impfstoffes ist also, eine Immunantwort und damit Immunität zu erreichen. Im Januar wurde die Gensequenz des neuartigen Coronavirus entschlüsselt. 52 Impfstoffprojekte durchlaufen aktuell die Phase des Impfstoffdesigns und der Erprobung an Tieren. Hier wird getestet, ob der Impfstoff überhaupt Antikörper, also eine Immunantwort auslöst. Zwei Unternehmen befinden sich bereits in Phase I der klinischen Studien mit freiwilligen Gesunden. Wenn die Studie als erfolgreich deklariert wird, folgen Zulassungsverfahren durch EMA/FDA/etc. und die Massenproduktion kann starten. 

Der durch CanSino entwickelte Impfstoff basiert auf Vektorviren, der durch Moderna entwickelte Impfstoff auf mRNA, welche sich nun in der Phase der Erprobung an Freiwilligen befinden.  

Impfungen gegen Pneumokokken o.Ä. helfen nicht gegen Covid-19, sind jedoch trotzdem nützlich, um zusätzlichen Komplikationen bei einer Erkrankung vorzubeugen. Momentan ist die Nachfrage nach diesen Impfstoffen stark gestiegen, deshalb werden sie vorerst für Risikogruppen wie Menschen mit einer Immundefizienz, chronischen Atemwegserkrankungen oder über 70 Jahren vorbehalten. 

In den vergangenen Tagen berichteten wir über mögliche Medikamente, die zur Behandlung von Covid-19 in Erwägung gezogen werden, welche Wechselwirkungen mit Arzneimitteln befürchtet werden und auch über Impfstoffe, die in der Entwicklungsphase stecken. Aber wie wird überhaupt festgestellt, ob eine Person erkrankt ist? Wir möchten euch hier zwei mögliche Verfahren vorstellen. 

Das Verfahren der “Realtime-Polymerase Chain Reaction” (RT-PCR) beruht wie die normale PCR auf der Vervielfältigung von Nukleinsäuren. 

Bei der RT-PCR erfolgt die Amplifikation (Vervielfältigung der DNA) in einem Schritt mit der Detektion des Fluoreszenzsignals. Zur Detektion wird dazu ein Fluoreszenzindikator zugesetzt, der eine quantitative Bestimmung ermöglicht. So kann während der exponentiellen Wachstumsphase die DNA-Vervielfältigung direkt in Echtzeit beobachtet werden und deutlich schnellere Testergebnisse erzielt werden. Das von Roche eingesetzte Gerät Cobas 6800/880 liefert z.B. 96 Ergebnisse in 3,5h. 

Bei der RT-PCR handelt es sich um eine sogenannte “CE-Zertifizierte” Bestimmung, das heißt, sie entspricht den geltenden rechtlichen Bestimmungen der EU.  

Auch „Corona-Schnelltests“ werden gerade viel diskutiert. Hierbei handelt es sich um Antikörper-Tests, durch die erkannt werden soll, ob eine Infektion mit SARS-CoV-19 vorliegt oder vorlag. Nach der Infektion bildet der Körper Antikörper gegen das Virus. Es dauert aber 7 bis 14 Tage, bis die Antikörper auch im Blut nachweisbar sind. Die Immunantwort ist also nur zeitverzögert durch den Test erkennbar. Dies birgt die Gefahr, dass der Test negativ ausfällt, obwohl die getestete Person bereits infiziert ist. Das Bundesgesundheitsministerium warnt deshalb aktuell ausdrücklich vor der Durchführung solcher Tests, da sie falsche Sicherheit geben können. Die Tests sind außerdem noch nicht validiert, es ist also noch nicht ausreichend überprüft worden, wie oft sie falsch positive oder falsch negative Ergebnisse anzeigen. Aus diesem Grund sollte das Ergebnis eines Corona-Schnelltests immer durch eine PCR bestätigt werden.